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Was steckt hinter dem Reformkonzept "BMZ 2030"?

Bis heute läuft noch die vom Long-Yang e.V. und der Deutsch-Nepalesischen Gesellschaft (DNG) initiierte Petition welche die Fortführung der Zusammenarbeit mit Nepal fordert und wir genauso wie einige andere in Nepal aktive Organisationen unterstützen.  In diesem Beitrag möchten wir Ihnen nochmal etwas näher erläutern, was es mit dem vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) vorgestellten Reformkonzept „BMZ 2030“ auf sich hat. Konkret wollen wir dabei auch einen kleinen Ausblick geben, was dies für Nepal bedeutet. Einfließen werden dabei auch einige Aussagen, welche im Rahmen einer ebenfalls vom Long Yang e.V. und der DNG organisierten Online Diskussion zur „Fortführung der Deutsch-Nepalesischen Entwicklungszusammenarbeit“ gefallen sind.

Das Konzept

Ganz generell stellt das Reformkonzept „BMZ 2030“ eine Neuausrichtung der deutschen Entwicklungspolitik dar. So führt die Strategie verschiedene Partnerkategorien ein und reduziert die Partnerländer um 25, also von 85 auf 60 Länder (in der Petition wird eine Reduzierung von 24 angegeben, was sich auf ein internes Papier beruft welches bisher aber nicht veröffentlicht wurde).

Grund für diese Entscheidung ist, dass Deutschland auf diese Weise in den einzelnen Ländern mehr Geld zur Verfügung und damit auch einen größeren Einfluss hat. Um die aktuelle Situation klarer zu machen nutzt Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller (CSU) gerne das Bild der Gießkanne, mit der man (willkürlich) in einem großen Garten herumläuft.

Entscheidende Kriterien für die Auswahl der in Zukunft geförderten Länder sollen Verbesserungen in den Bereichen Korruptionsbekämpfung, Good Governance und Menschenrechte sein. Was erstmal auch positiv zu bewerten ist.

Enden soll die Zusammenarbeit mit Ländern die den wirtschaftlichen Aufschwung geschafft haben oder bei denen, wie das BMZ anführt, andere Geber deutlich aktiver sind, um diesen das Feld zu überlassen.

Wo wirft das Konzept Fragen auf?

In welcher Gewichtung die einzelnen Kriterien eingeflossen sind und welche weiteren Punkte ebenfalls einen Einfluss auf die Auswahlentscheidung hatten, geht aus der Veröffentlichung nicht hervor. Laut dem Bundestagsabgeordneten Uwe Kekeritz (Bündnis 90/die Grünen), der Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit (AWZ) ist, wurde auch dieser nicht weiter darüber informiert:

Über diesen Prozess ist der AWZ Ausschuss nicht informiert worden, lediglich über das Ergebnis. Auch auf internationaler Ebene hat hierzu keine Absprache stattgefunden.“.

Dies bestätigte auch der Abgeordnete Christoph Hoffmann (FDP), der mitteilte, dass im Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit (AWZ) fraktionsübergreifend Unklarheiten über die Auswahlkriterien bestanden hätten - ebenso hinsichtlich einer konsistenten Anwendung der Kriterien auf alle Länder.

Entscheidung zu Nepal

Beim konkreten Blick auf Nepal stellt man fest, dass es in den letzten Jahren positive Entwicklungen in den Bereichen Good Governance, Korruptionsbekämpfung und Achtung der Menschenrechte gab. So hat sich Nepal ausgehend von einer konstitutionellen Monarchie zu einer föderalen Demokratie nach deutschem Vorbild entwickelt. Das es aktuell auch noch einige Probleme gibt und diese Entwicklung daher in Zukunft fortgeführt werden muss ist hierbei unumstritten.

Auch der inzwischen vom BMZ angeführte Punkt, dass Deutschland nicht mehr zu den größten Gebern in Nepal zählt und aus diesem Grund anderen das Feld überlässt, wirft Fragen auf wenn man auf die Gesamtstrategie  blickt. In dieser findet man nämlich Länder die trotz geringerer Fördersumme weitergefördert werden, wie auch Séverine Lang vom Long Yang e.V. im Rahmen der Diskussionsveranstaltung anmerkt.

Deutschland steht unter den Gebern an siebter Position, leistet aber innerhalb der EU, die auch als Geber auftritt, den größten finanziellen Beitrag. Ein Rückzug Deutschlands könnte auch einen Rückzug der Europäischen Union zur Folge haben und somit von anderen Gebern (z.B. China) als politisches Signal aufgefasst werden. 

Bezüglich der geopolitischen Situation merkt Dr. Carsten Klein (Head Regional Office South Asia) von der Friedrich Naumann Stiftung an:

Geopolitisch wird durch die Beendigung der bilateralen Zusammenarbeit ein Vakuum hinterlassen. Die große Gefahr besteht darin, dass dies durch Nachbarländer der Region (Anm. d. Red. Indien und China) ausgefüllt wird, die ein vitales Eigeninteresse an einem Engagement in Nepal haben


Die Forderungen der Petition zusammengefasst in einer Minute:


Was bedeutet ein Ende der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit genau?

Wenn Deutschland die direkte Zusammenarbeit einstellt bedeutet diese Entscheidung konkret,  dass die Durchfühungsorganisationen des BMZ - also die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) und Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) – laufende Projekte beenden und dann die entsprechenden Länder verlassen.

Eine Förderung von Projekten „der Zivilgesellschaft, Kirchen, politischen Stiftungen sowie mit der Wirtschaft“ soll aber weiterhin in allen Entwicklungsländern möglich sein (vgl. „BMZ 2030“ S.6).

Zentrale Frage die bleibt, ist wer das schon angesprochene „Vakuum“ füllen soll. Das Bundesentwicklungsministerium verweist hier auf andere Akteure „wie die EU, die Weltbank, andere Geber“ und die Zivilgesellschafft (ebd.).  Konkrete Pläne oder genaue Absprachen fehlen hier bisher.

Aktuell findet die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Nepal auf verschiedenen Ebenen statt, die sich zum Teil ergänzen und immer wieder auch zusammenarbeiten. Neben der staatlichen Ebene spielt dabei vor allem die zivilgesellschaftliche eine Rolle. Zur Zivilgesellschaft zählen dabei z.B. NGOs, Privatpersonen und Stiftungen.

Staatliche Entwicklungszusammenarbeit findet man in Nepal aktuell vor allem in den Bereichen Klimaschutz & erneuerbare Energien, Frauenförderung, Gesundheitssektor und Bildung. Zwar gibt in diesen Bereichen auch zivilgesellschaftliches Engagement, diesem fehlen in vielen Fällen aber die Kapazitäten und Möglichkeiten um die stattlichen Projekte direkt weiterzuführen. Weshalb bei einigen Projekten damit zu rechnen ist, dass eine Fortsetzung ausbleibt. 

Welche Folgen hat das für die Zivilgesellschaft und damit Organisationen wie uns?

Jan Wenzel von VENRO (Bundesverband entwicklungspolitischer und humanitärer Nichtregierungsorganisationen)  sagte dazu:

Mit dem Verlust von Strukturen und Kenntnissen im BMZ und den Auslandsvertretungen gehen wichtige Ansprechpartner – auch für zivilgesellschaftliche Organisationen – verloren.

Denn mit einer Reduzierung der Zusammenarbeit geht auch eine Reduzierung der Gespräche bzw. Gesprächsanlässe einher. Es bleibt zwar noch die deutsche Botschaft in Kathmandu, welche auch als Ansprechpartner für die Zivilgesellschaft zur Verfügung steht, doch wird diese vermutlich nicht alle Gespräche aufrechterhalten können, die gerade z.B. auch über Experten der GIZ laufen.

Konsequenzen wären auch mit Blick auf die Finanzierung von Projekten denkbar, wie Uwe Kekeritz dies ansprach:

Eine Kompensation der wegfallenden deutschen Mittel ist auch hinsichtlich von Drittmitteln (Anm. d. Red. z.B. Gelder die über die EU in Nepal eingesetzt werden)  für deutsche Projekte schwierig, die bei Beendigung des deutschen Engagements ggf. wegfallen würden. Es gibt viele Organisationen, die mit kleinen Projekten Positives bewirken und nicht wissen, wie es weitergeht.

Ein Punkt der unsere Arbeit zwar nur bedingt Treffen dürfte, bezogen auf Nepal und andere Organisationen aber durchaus Gewicht haben könnte.

60 Jahre und nun?

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit Nepal kann inzwischen auf mehr als 60 erfolgreiche Jahre zurückblicken, was auch in der Diskussionsveranstaltung immer wieder Anklang und zwar von deutscher und nepalesischer Seite. Hier wird auch sichtbar, dass das von Minister Müller angebrachte Bild der Gießkanne vielleicht doch etwas zu stark pauschalisiert. Denn wie von Uwe Kekeritz angemerkt gibt es durchaus kleine Projekte (mit vergleichsweise geringem Budget) die Leuchtturmcharakter in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit haben und es gilt nicht nur "viel hilft viel".

Viele der angestoßenen Entwicklungen in Nepal wären ohne die Unterstützung der deutschen Regierung nicht möglich gewesen. Deutschland ist in Hinblick auf die menschenrechtliche Situation und Korruptionsbekämpfung ein Vorbild, von dem Nepal auch in Zukunft lernen möchte

Prof. Dr. Ramesh Kumar Maskey, Präsident der Nepal German Academic Association (NEGAAS)

Covid-19 Pandemie

Zumindest unglücklich ist auch der Fakt, dass diese Entscheidung mit der Covid-19 Pandemie zusammenfällt. Ein Faktor der nicht nur Nepal trifft und die Frage aufwirft, ob auf dieser Grundlage nicht eine Neubewertung notwendig wird.  Schließlich ist schon jetzt absehbar, dass diese Pandemie Spuren hinterlassen wird und zumindest aktuell die Koordination einer geordneten Übergabe, mit den nötigen Gesprächen,  erschwert.

Angesichts der schwierigen Krise infolge der Corona Pandemie ist der Zeitpunkt der Entscheidung schwierig. Viele Akteure in Nepal sind derzeit mit existenziellen Fragen beschäftigt

Dr. Carsten Klein, Friedrich Naumann Stiftung - Head Regional Office South Asia

Nepal befindet sich derzeit in einer schwierigen Situation: das Land habe sich noch immer nicht von den Folgen des schlimmen Erdbebens im Jahr 2015 erholt, die Zahlen der Covid-19 Fälle steigen und die Wirtschaft werde durch die Pandemie empfindlich getroffen. Gerade in einer solchen Zeit wird die Unterstützung Deutschlands mehr denn je benötigt und wertgeschätzt“ 

Jiba Lamichhane, Gründungsmitglied der NRNA (Non Resident Nepali Association)

Grundsätzlich ist festzuhalten das es total normal, legitim und auch richtig ist, dass das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) in regelmäßigen Abständen seine Arbeit reflektiert und damit die Diskussion geführt wird welche Länder und Projekte weiter unterstützt werden. Schließlich steht wenn man auf Forschungsergebnisse blickt immer noch die Frage im Raum inwieweit Entwicklungszusammenarbeit  hilft Ungleichheiten zu überwinden oder ob sogar das Gegenteil der Fall ist und Armut damit zementiert wird.

Mindestens genauso legitim ist es aber auch die so zustande gekommenen Ergebnisse zu hinterfragen. Denn ausgehend von allen bisherigen Statements und Veröffentlichungen des  BMZ bleiben doch, wie Sie gesehen haben, einige Punkte offen die Fragen aufwerfen. Gerade auch mit Blick auf Corona fordern wir daher eine Neubewertung der Situation!

Jakob Neugebauer

Quellen und Möglichkeiten sich weiter zu informieren:

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